Lispeln

Sprechstörung Lispeln: Ursachen erkennen, wirksam behandeln

01. Dezember 2025

Wenn Zunge und Zähne sich behindern, kann Lispeln entstehen. Welche Lösungen für den Sprachfehler zur Verfügung stehen und warum die Zusammenarbeit von Kieferorthopädie und Logopädie entscheidend ist.

Ursachen des Lispelns: Ein vielschichtiges Problem

Lispeln, fachsprachlich als Sigmatismus bezeichnet, ist eine der bekanntesten Sprechstörungen. Sie fällt besonders durch die fehlerhafte Bildung von Zischlauten auf. Die Ursachen dafür sind vielfältig und häufig miteinander verknüpft: Eine zentrale Rolle spielen Zahn- oder Kieferfehlstellungen. Beispielsweise kann ein offener Biss, ein Engstand oder das Vorliegen von Zahnlücken dazu führen, dass die Zunge beim Sprechen keinen Halt findet und sich falsch positioniert.

Häufig entstehen solche Fehlstellungen durch eine Mischung aus angeborenen und erworbenen Faktoren. Ein klassisches Beispiel für eine erblich bedingte Fehlstellung ist die sogenannte Progenie, bei der die unteren Schneidezähne vor den oberen stehen. Erworbene Fehlstellungen dagegen entwickeln sich typischerweise durch ungünstige Angewohnheiten im Kindesalter. Wenn Kinder häufig und über längere Zeit am Daumen, Schnuller oder an der Flasche nuckeln, kann das die Entwicklung der Zähne und Kiefer beeinflussen. Besonders der offene Biss – bei dem die Schneidezähne von Ober- und Unterkiefer beim Zubeißen keinen Kontakt mehr haben – ist eine typische Folge. Um langfristige Folgeschäden zu verhindern, müssen ausgeprägte Fehlstellungen frühzeitig erkannt und behandelt werden.

Neben strukturellen Ursachen gibt es auch funktionelle Auslöser für das Lispeln. Eine schwach ausgeprägte Mundmuskulatur, falsche Schluckmuster oder eine dauerhaft ungünstige Lage der Zunge im Mundraum, zum Beispiel zu tief und flach im Mundraum, können die entstehende Störung zusätzlich begünstigen. Gerade im Kindesalter, wenn die Entwicklung der Muskulatur und der richtigen Bewegungsabläufe noch nicht abgeschlossen ist, kommt diesen Faktoren eine besondere Bedeutung zu. Dennoch kann Lispeln grundsätzlich Menschen jeden Alters betreffen.

Wann eine Behandlung nötig ist

Nicht jedes Lispeln erfordert sofort eine medizinische Intervention. Es gilt als normal, wenn Kinder in der frühen Sprachentwicklung noch Schwierigkeiten mit Zischlauten zeigen. Auch im Alter zwischen sechs und neun Jahren haben viele Kinder auffällige Zahnlücken und lispeln manchmal vorübergehend, weil die Zunge und die neue Zahnstellung sich erst aufeinander einstellen müssen. Das ist in den meisten Fällen kein Grund zur Sorge: Viele der vorübergehenden Lispelprobleme „verwachsen“ sich nach dem vollständigen Zahnwechsel etwa bis zum elften Lebensjahr. Wenn das Lispeln nach dem Zahnwechsel weiterhin auffällig bleibt und sich keine Besserung zeigt, sollte eine Abklärung erfolgen.

Liegt eine Fehlstellung von Zähnen oder Kiefer vor, wird eine kieferorthopädische Untersuchung angeraten. Besteht das Problem eher in einem funktionellen Bereich – etwa der Zungenmotorik – ist logopädische Unterstützung gefragt. Als besonders effektiv gelten kombinierte Maßnahmen, wenn beide Problembereiche vorhanden sind.

Kieferorthopädische Maßnahmen

Kieferorthopädische Behandlungen nehmen eine zentrale Rolle ein, wenn strukturelle Fehlstellungen an Zähnen und Kiefer das Lispeln begünstigen. Durch eine umfassende Untersuchung kann festgestellt werden, ob und inwieweit kieferorthopädische Maßnahmen zur Korrektur beitragen können. Folgende Behandlungen stehen der Kieferorthopädie zur Korrektur des Sprachfehlers zur Verfügung: Sie reichen von festen Zahnspangen (Brackets) über herausnehmbare Geräte bis hin zu transparenten Schienensystemen (Aligner). Die Wahl des Mittels hängt von der Art und Ausprägung der Fehlstellung ab.

Der Fokus liegt darauf, Zähne und Kiefer so zu positionieren, dass die Zunge in die korrekte Ruhelage findet und störende Nebengeräusche beim Sprechen reduziert werden. Besonders bei Kindern ermöglicht das Wachstum flexible und effektive Korrekturen. Doch auch bei Erwachsenen können kieferorthopädische Maßnahmen zur Verbesserung des Sprachbildes beitragen, wenngleich die Anpassungsprozesse meist länger dauern.

Logopädische Therapie und myofunktionelle Maßnahmen

Die logopädische Therapie spielt bei der Behandlung des Lispelns eine zentrale Rolle, sowohl als eigenständige Maßnahme als auch begleitend zur kieferorthopädischen Behandlung. Das Hauptziel besteht darin, die Motorik von Zunge und Lippen gezielt zu schulen. Mit individuell angepassten Übungen wird die richtige Sprechweise schrittweise erlernt und gefestigt. Die Therapie orientiert sich dabei immer an Alter, Entwicklung und spezifischen Bedürfnissen der Betroffenen.

Ein besonderer Schwerpunkt der logopädischen Therapie liegt auf der sogenannten myofunktionellen Therapie (MFT). Hierbei werden gezielt muskuläre Ungleichgewichte im Mund- und Gesichtsbereich – insbesondere im Bereich von Zunge, Lippen und Wangen – behandelt. Durch die gezielte Beeinflussung der Muskulatur, idealerweise in jungen Jahren während des Wachstums, können Fehlentwicklungen vermieden oder frühzeitig korrigiert werden. Eine rechtzeitig begonnene Therapie kann den Kiefer weiten, sodass die Zähne mit weniger Aufwand oder sogar ganz ohne feste Zahnspange in die richtige Position wachsen.

Die MFT wird in der Regel von Logopäden durchgeführt, teils ergänzt durch kieferorthopädische Trainingsgeräte wie Mundvorhofplatten. In der Praxis werden spezielle Übungen vermittelt, die zu Hause täglich weitergeführt werden sollten, um die Muskeln zu stärken und Fehlfunktionen zu korrigieren.Eltern können helfen, indem sie feste Übungszeiten im Alltag etablieren, das Kind bei den Übungen anleiten und darauf achten, dass diese korrekt ausgeführt werden, zum Beispiel gemeinsam vor dem Spiegel.

Die aktive Behandlungsphase erstreckt sich meist über etwa eineinhalb Jahre. Während dieser Zeit werden nicht nur Fehlstellungen behandelt, sondern auch die Funktionsmuster dauerhaft umgestellt und regelmäßig überprüft. Idealerweise gelingt es, nachhaltige Veränderungen zu etablieren: Das Kind atmet durch die Nase, schluckt auf gesunde Weise, und die Zunge ruht am Gaumen. In vielen Fällen verbessert sich die Zahnstellung bereits deutlich, sodass optimale Voraussetzungen für das weitere Gesichts- und Kieferwachstum geschaffen werden.

Heilungschancen bei Kindern und Erwachsenen

Während die Therapie im Kindesalter meist rascher und nachhaltiger anspricht, können auch Jugendliche und Erwachsene von modernen Behandlungsmethoden profitieren. Mit Geduld und konsequenter Zusammenarbeit der Fachbereiche – häufig über einige Monate hinweg – wird die sprachliche Verständlichkeit verbessert oder das Lispeln kann vollständig verschwinden.

Fazit

Lispeln stellt für viele Betroffene eine sprachliche Hürde dar, doch die Chancen auf Besserung oder vollständige Korrektur sind heute größer denn je. Eine frühzeitige Diagnose und individuell abgestimmte Therapie sind der Schlüssel zum Erfolg. Moderne Methoden ermöglichen es, auch Erwachsene erfolgreich zu behandeln und Rückfällen vorzubeugen.

 

Quellen:

  • Das Gesundheitsportal medondo.health
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