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Wie sich Aligner auf das Kiefergelenk auswirken können

04. Februar 2025

Die Aligner-Therapie gilt als moderne Lösung der Kieferorthopädie zur Korrektur von Zahnfehlstellungen. Dabei werden transparente, individuell angepasste Kunststoffschienen im Mund getragen und bewegen durch sanften, permanenten Druck die Zähne in die gewünschte Position. Trotz ihrer Vorteile ist es essenziell, mögliche Risiken und Nebenwirkungen wie Kiefergelenkprobleme im Blick zu behalten. Dies gilt auch für Behandlungen, die rein auf die Ästhetik der Frontzähne ausgerichtet sind. 

Warum das Kiefergelenk nicht nur für das Kauen wichtig ist 

Das Kiefergelenk spielt eine zentrale Rolle für die Funktionalität des gesamten Kauapparats und ist eines der komplexesten Gelenke des menschlichen Körpers. Es verbindet den Unterkiefer mit dem Schädel und sorgt durch seine Beweglichkeit dafür, dass Kauen, Sprechen, Schlucken und Gähnen erst möglich werden. All diese Bewegungsabläufe werden durch ein Zusammenspiel aus Muskeln, Bändern und der Gelenkscheibe (Diskus) präzise gesteuert. 

Neben der mechanischen Funktion hat das Kiefergelenk auch eine enge Verbindung zu anderen Bereichen des Körpers. Dysfunktionen oder Verspannungen können nicht nur zu Schmerzen im Kieferbereich führen, sondern auch Auswirkungen auf Nacken, Schultern und den gesamten Bewegungsapparat haben. Darüber hinaus beeinflusst das Kiefergelenk die Zahnstellung. Fehlstellungen können Schäden an den Zähnen, etwa durch Zähneknirschen, verursachen. 

Können Aligner das Kiefergelenk beeinflussen? 

Bei einer kieferorthopädischen Behandlung mit Alignern werden die Zähne durch sanften Druck schrittweise in die gewünschte Position im Kiefer bewegt. Dazu wird die Schiene rund 22 Stunden am Tag und in der Nacht getragen. Die Veränderungen der Zahnstellung während der Behandlung können den Biss, die Biomechanik des Kauapparats und somit auch das Kiefergelenk beeinflussen.  

Vorübergehende Beschwerden sind während der Therapie möglich, solange sich das Kausystem nicht an die neuen Bedingungen angepasst hat. Sie treten häufig während der ersten Anpassungsphase auf, da Muskeln und Gelenke Zeit benötigen, um sich an veränderte Zahnstellungen anzupassen. Dabei können Spannungsgefühle, Druck oder Schmerzen entstehen. In der Regel klingen diese Beschwerden innerhalb weniger Tage ab. 

Welche Auswirkungen können Aligner auf das Kiefergelenk haben? 

Verursachen Aligner-Schienen hingegen dauerhafte Schmerzen, Knacken oder eingeschränkte Beweglichkeit des Kiefergelenks, ist das alles andere als „normal“. In diesem Fall ist für den Patienten oder die Patientin ein Besuch beim behandelnden Kieferorthopäden oder der behandelnden Kieferorthopädin empfehlenswert, um die Gründe zu untersuchen. Die Ursachen sind in diesem Fall häufig eine suboptimale Anpassung oder eine unzureichend gestellte Diagnose von bereits bestehenden Kiefergelenkerkrankungen im Vorfeld der kieferorthopädischen Behandlung. 

Ein unzureichend geplanter Behandlungsansatz birgt das Risiko, bereits bestehende Dysfunktionen des Kiefergelenks zu verstärken. So kann ein fehlerhaftes Beißverhalten, etwa im Rahmen einer craniomandibuläre Dysfunktion, kurz CMD, zu einer Verschlechterung führen und das Behandlungsergebnis negativ beeinträchtigen. CMD ist eine Funktionsstörung des Kausystems, die durch Probleme im Zusammenspiel von Kiefergelenken, Kaumuskulatur und den dazugehörigen Strukturen gekennzeichnet ist. CMD kann eine Vielzahl von Symptomen wie Kiefergelenkschmerzen oder -geräusche, Einschränkungen der Kieferbeweglichkeit oder Zähneknirschen (Bruxismus). 

Wie erkennt man Kiefergelenksprobleme? 

Kiefergelenksprobleme äußern sich durch eine Vielzahl von Symptomen, die oft nicht nur den Kiefer selbst, sondern auch angrenzende Bereiche betreffen. Häufige Anzeichen sind Schmerzen oder ein Druckgefühl im Kiefergelenk, insbesondere beim Kauen, Sprechen oder Gähnen. Ein hörbares Knacken oder Knirschen im Gelenk sowie eine eingeschränkte oder schmerzhafte Mundöffnung sind ebenfalls typische Hinweise. 

Darüber hinaus können Kiefergelenksprobleme in Form von Verspannungen in der Kaumuskulatur, Kopfschmerzen, Ohrenschmerzen oder einem dumpfen Druckgefühl im Ohr auftreten. Manche Betroffene bemerken auch eine veränderte Bisslage, die mit dem Gefühl einhergeht, dass die Zähne nicht richtig aufeinander liegen. Nicht selten kommt es zu Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich. In schweren Fällen kann es zu einer Kiefersperre kommen, bei der sich der Mund nicht mehr vollständig schließen oder öffnen lässt. 

Wie lassen sich Kiefergelenksprobleme bei einer Aligner-Behandlung vermeiden? 

Eine umfassende, kieferorthopädische Diagnostik einschließlich Röntgenbild bildet die Grundlage, um Risiken wie bereits bestehende Kiefergelenkerkrankungen frühzeitig zu erkennen und in die Behandlung einzubeziehen. Bildgebende Verfahren und funktionelle Analysen liefern hierzu wichtige Einblicke in den Zustand des Kauapparats. Im Anschluss sorgt eine exakte Anpassung der Aligner für eine optimale Zahnbewegung und entlastet das Kiefergelenk. Der Therapieverlauf wird durch regelmäßige Kontrollen kontrolliert und gegebenenfalls optimiert. Daher ist es wichtig, bereits vor einer Aligner-Therapie mögliche Risikofaktoren vom behandelnden Kieferorthopäden oder der behandelnden Kieferorthopädin abklären zu lassen.  

Billig-Behandlung lässt Kiefergelenk oft außer Acht 

Fachzahnärztinnen und Fachzahnärzte für Kieferorthopädie können auch sehr komplexe Zahnfehlstellungen mit Hilfe von Alignern behandeln. Die überall im Netz beworbenen „günstigen“ und „schnellen“ Aligner-Behandlungen hingegen sind oft auf ästhetische Korrekturen von Fehlstellungen im Frontzahnbereich konzentriert und nicht darauf ausgerichtet, den Biss und die Funktion des Kiefergelenks zu verbessern. Im Gegenteil: Schlimmstenfalls kann es sogar zu schwerwiegenden Komplikationen kommen, wenn die Stellung der Backenzähne außer Acht gelassen wird.  

Kieferorthopädinnen und Kieferorthopäden behandeln deshalb immer ganzheitlich – auch wenn es der Patientin oder dem Patienten in erster Linie um eine kosmetische Korrektur geht. Denn jede Zahnbewegung kann die Funktion des Kauapparats nachhaltig beeinflussen. Eine ausführliche Diagnostik mit Röntgenbildern und Untersuchungen der Kiefergelenke ist unerlässlich zur individuellen Planung einer sicheren Therapie. 

 

Quellen:  

  • Das Gesundheitsportal medondo.health   
  • Ganta, G.K., Cheruvu, K., Ravi, R.K. and Reddy, R.P. (2021). Clear aligners, the aesthetic solution: a review. [online] Social Science Research Network. Available at: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3897969. 
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