Die neuen PAR-Richtlinien unterstützen den Langzeiterfolg bei der Parodontitistherapie Quelle: pexels

Parodontitis behandeln – mit System

05. Januar 2022

Parodontitis lässt sich erfolgreich behandeln – wenn die Erkrankung möglichst früh erkannt wird und die Behandlung systematisch durchgeführt wird. Das sollten Sie über die Parodontitis-Therapie wissen!

Parodontitis, oft auch als Parodontose bezeichnet, ist eine der häufigsten chronischen Krankheiten weltweit und wird deshalb oft als Volkskrankheit Parodontitis bezeichnet. Viele wissen jedoch nicht, dass sie von einer Entzündung des Zahnhalteapparats betroffen sind. Unbehandelt kann sie zu Lockerung der Zähne, zu einer Veränderung der Zahnstellung bis zu Zahnverlust führen. Was viele ebenfalls nicht wissen: Es handelt sich nicht nur um ein Zahnproblem, sondern um eine systemische Erkrankung, die unter anderem ein erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus, Herzinfarkt und Schlaganfall mit sich bringt. 

Von der Zahnfleischentzündung zur Parodontitis I Quelle: intern 

Durch eine systematische Therapie kann die Krankheit zum Stillstand gebracht und Zahnverlust vermieden werden. Ziel der Behandlung ist es, die akute Entzündung des Zahnhalteapparats zum Stillstand zu bringen und so ein Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten. Die Behandlung der Parodontitis wird in vier Stufen unterteilt. 

Damit die gesetzliche Krankenkasse sich an den Therapiekosten für die Parodontitis-Behandlung (PAR-Therapie) beteiligt, gibt es neue PAR-Richtlinien, an die sich der Zahnarzt halten muss. Die PAR-Therapie muss außerdem bei der gesetzlichen Krankenkasse beantragt und genehmigt werden. 

Diagnose und Aufklärungsgespräch

Zunächst wird die Diagnose Parodontitis anhand von Krankengeschichte, Untersuchungsbefund von Zähnen und Zahnfleisch sowie Röntgenbildern gestellt und ein ausführlicher Parodontalstatus erhoben. Gibt es relevante Vorerkrankungen oder Risikofaktoren? Der Grad und das Stadium der Erkrankung werden definiert. Haben sich Zahnfleischtaschen gebildet? Ist das Zahnfleisch zurückgegangen? Haben sich Zähne gelockert oder liegt bereits ein Rückgang des Knochens vor?

In einem Aufklärungs- und Therapiegespräch informiert der Zahnarzt über die Krankheit Parodontitis und die damit verbundenen Risiken – z. B. auch das erhöhte Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Er erklärt, welche Rolle die aktive Mitarbeit des Patienten bei der Parodontalbehandlung spielt, insbesondere die Mundhygiene, aber auch der Verzicht auf Rauchen und die Behandlung eines evtl. vorhandenen Diabetes mellitus. Außerdem werden die einzelnen Therapieschritte erläutert. Bevor die Behandlung beginnen kann, muss ein Antrag bei der gesetzlichen Krankenkasse gestellt werden.

1. Stufe: Vorbereitung vor Parodontalbehandlung

Als erste Maßnahme bekommt der Patient eine ausführliche Anleitung und praktische Tipps für die optimale Zahnpflege zu Hause (patientenindividuelle Mundhygieneunterweisung, MHU). Wichtig ist neben der richtigen Zahnputztechnik auch die Pflege der Zahnzwischenräume mit Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürsten. Dann erfolgt eine professionelle Zahnreinigung mit Entfernung von weichen und harten Belägen und Polieren der Zahnoberflächen.

Parodontalcheck beim Zahnarzt I Quelle: pexels

In der ersten Behandlungsphase werden nur die Stellen gereinigt, die man auch ohne lokale Betäubung erreichen kann. Meist sind dafür mehrere Termine nötig. Ziel der Behandlung ist es, die Bakterienmenge zu reduzieren (antiinfektiöse Therapie, AIT). Oft führt dies bereits zu einem Rückgang der oberflächlichen Entzündung. In manchen Fällen reicht die Behandlung bereits aus, um die Parodontitis in den Griff zu bekommen.

2. Stufe: Parodontalbehandlung unter dem Zahnfleischrand

Systematische Parodontaltherapie I Quelle: pixabay

In der zweiten Phase geht es um eine ursachenbezogene Therapie zur Bakterienreduktion von schwer zugänglichen Bereichen unterhalb des Zahnfleisches und in tiefen Zahnfleischtaschen. Sprechen einzelne Stellen nicht ausreichend auf die Hygienemaßnahmen der ersten Stufe an, folgt darauf eine tiefergehende Parodontalbehandlung oft unter lokaler Betäubung. Dabei werden auch die bakteriellen Beläge unterhalb des Zahnfleischrands (subgingival) und in den Zahnfleischtaschen entfernt. Das kann mit Ultraschall oder manuell geschehen. Zahnärzte sprechen von subgingivaler Instrumentierung. Unterstützend können in die Zahnfleischtaschen lokal Antibiotika eingebracht oder systemisch Antibiotika in Tablettenform eingenommen werden. Nachdem die parodontalen Gewebe ausgeheilt sind, sollte die individuelle Reaktion auf die zweite Therapiestufe bewertet werden (parodontale Reevaluation).

3. Stufe: Chirurgische Parodontalbehandlung (CPT)

Nach einigen Wochen wird erneut untersucht und Bilanz gezogen (parodontale Reevaluation). Hat die Parodontalbehandlung noch nicht überall zum gewünschten Erfolg geführt, sollte man über weiterführende Maßnahmen aus dem Bereich der Parodontalchirurgie sprechen. Das Ziel ist es dabei, den Zugang für die subgingivale Instrumentierung zu verbessern. Bei sehr tiefen Taschen kann man das Zahnfleisch mit einem feinen Instrument öffnen und vom Zahn wegklappen. So können auch schwer zugängliche Stellen noch besser gereinigt werden. 

Ist der Zahnhalteapparat – also die bindegewebigen Strukturen, die den Zahn im Knochen fixieren – bereits stark geschädigt, gibt es zudem spezielle Methoden, um die Regeneration anzuregen. Hierfür werden z. B. dünne Membranen, Substanzen zur Wachstumsförderung oder Knochenersatzmaterialien eingebracht.

Hat sich das Zahnfleisch stark zurückgezogen, kann zur Rekonstruktion plastische Parodontalchirurgie zum Einsatz kommen. Beispielsweise kann man ein Stückchen Gewebe aus dem Gaumen entnehmen und verpflanzen, sodass freiliegende Zahnhälse und Zahnwurzeln wieder bedeckt sind.

Auch nach der dritten Stufe wird die individuelle Reaktion auf die erfolgte Therapie erneut beurteilt (parodontale Reevaluation). Sind die Therapieziele im Idealfall erreicht, werden die Patienten in die unterstützende Parodontitistherapie (UPT) aufgenommen. 

4. Stufe: PAR-Nachsorge (UPT)

Parodontitis kann zwar behandelt werden, ist aber nicht heilbar. Für den langfristigen und nachhaltigen Erfolg braucht es eine lebenslange Nachsorge, die man auch unterstützende Parodontitistherapie (UPT) nennt. Ohne diese Erhaltungstherapie besteht ein hohes Rückfallrisiko. Wie häufig die Nachsorge stattfindet, wird je nach Risiko individuell festgelegt. Bei den Recall-Terminen werden Zähne und Zahnfleisch untersucht und gereinigt. Sind noch Resttaschen vorhanden, werden auch diese gesäubert. Außerdem bekommen die Patienten Tipps, wo sie gegebenenfalls noch besser putzen müssen. Seit Juli 2021 wird die Nachsorge bei Parodontitis auch von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Gesetzlich versicherte Patienten haben Anspruch auf eine individuelle zweijährige Nachsorge (UPT) nach abgeschlossener aktiver Parodontitistherapie.

Lebenslange Nachsorge bei Parodontitis ist wichtig I Quelle: unsplash

Fazit:

Die Behandlung bzw. Vorbeugung der Parodontitis als Mundgesundheitsfaktor dürfte eine Rolle bei der Vorbeugung von COVID-19 sein, aber auch von anderen Infektions- bzw. Allgemeinerkrankungen.

Parodontitis ist behandelbar, wenn auch nicht heilbar. Dank moderner Methoden und bei optimaler Mundhygiene lassen sich Zähne lange erhalten. Aber: Je früher die Krankheit erkannt wird, desto weniger invasiv sind die Methoden – und desto besser sind die Chancen, dass Ihre Zähne auf Dauer erhalten werden können. Und: Ohne Ihre Mithilfe geht es nicht! 

Die neuen Maßnahmen und Richtlinien dienen dazu, die Mundhygienefähigkeit und Gesundheitskompetenz zu erhöhen und Patienten aktiv in die Therapie einzubinden.

 

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